Wir haben unsere Fotografen gebeten, uns die Geschichten zu Ihren Bildern zu erzählen. In diesem Beitrag erzählt uns Walter Korn, Bildredakteur bei der Süddeutschen Zeitung, die traurige Geschichte der Goldgräber im Norden Burkina Fasos. Privat unterstützt der Fotograf vor allem das Netzwerk Wunschträume, eine kleine NGO in Burkina Faso. Die Organisation beschränkt sich auf wenige Projekte, führt diese aber mit großem Erfolg durch. Näheres zu Walter Korn und eine Auswahl seiner Bilder findet Ihr in seiner Galerie auf Photocircle.
Halidou hat in den sechzehn Jahren, in denen er nun auf der Welt ist, noch nie etwas geschenkt bekommen und nun dies, eine LED Taschenlampe, ein für ihn bisher unerreichbarer Schatz und überdies auch noch ein sehr nützliches Geschenk, denn er fristet sein karges Leben in einer der vielen provisorischen Goldminen im Grenzgebiet zwischen Mali und Burkina Faso. Sofort organisiert er ein Tuch und bindet sich die Taschenlampe wie eine Grubenlampe an die Stirn und lässt sich mit einem Lächeln im Gesicht in den engen Schacht gleiten. Der Tag an dem Halidou das erste Geschenk seines Lebens bekam, war auch der letzte Tag in seinen Leben.
Noch während uns die anderen Goldsucher über das Gelände führen ertönen laute Rufe und Geschrei hinter uns, dort wo eben noch das ungesicherte Loch war in dem der Junge fast einhundert Meter in die Tiefe abstieg, hat sich das lockere Erdreich in Bewegung gesetzt und ist unaufhaltsam in den Schacht gestützt , Halidou hatte keine Überlebenschance. Selbst wenn ihn die Erdmassen nicht erschlagen hätten, wäre er durch den feinen Sand und Staub längst erstickt. Während ich noch fassungslos neben den immer noch volllaufenden Erdloch stehe, ziehen mich die anderen Grubenarbeiter vom Ort des unfassbaren Geschehens weg, zu gefährlich deuten sie mir an und so stehe ich in einiger Entfernung, kämpfe mit den Tränen und lasse Revue passieren was mich nun eigentlich hier her verschlagen hat.
Gold, Oro, Ouro oder wie es hier im Land genannt wird Sanem die ewige Sehnsucht nach schnellen Reichtum und persönlicher Unabhängigkeit, diese Sehnsucht treibt die Menschen in aller Welt an. Durch den starken Anstieg des Goldpreises lohnt es sich nun auch weniger ertragreiche Vorkommen auszubeuten. Im Norden des kleinen Westafrikanischen Landes Burkina Faso ist ein regelrechter Goldrausch ausgebrochen, aber die Lebens- und Arbeitsbedingungen, die für die Goldsucher dort herrschen sollen unmenschlich sein.
So war es höchste Zeit sich selbst ein Bild von den Arbeitsbedingungen vor Ort zu machen. Wir verließen die Hauptstatt Ouagadougou auf der gebührenpflichtigen Straße in Richtung Norden. Schon nach weniger als 3 Stunden erreichten wir Ouahigouya die letzte größere Stadt vor der Grenze zu Mali.
Rechter Hand tauchte in der Ferne ein gigantischer Ameisenhügel auf. Zumindest erinnerte die Erhebung stark daran, denn eine Unzahl von Menschen werkelte emsig auf dem aus der Ebene aufragenden Hügel. Unser Fahrer riet zu größter Vorsicht:
„Nein, die Leute tun Fremden im Allgemeinen nichts, aber überall auf dem Gelände befinden sich ungesicherte bis zu 50 Meter tiefe Schächte in denen man für immer verschwinden kann. Wer sich hier von der durchaus faszinierenden Landschaft ablenken lässt und sich nicht auf jeden seiner Schritte konzentriert, wird unweigerlich abstürzen.“
In abgerissenen erdfarbenen Klamotten, die an den hageren Körpern hängen, über und über mit rotem Staub und Erde überzogen, nähert sich uns eine kleine Armee von Verdammten. Sie kommen buchstäblich aus ihren Löchern gekrochen. Was kann Menschen dazu bringen solche Strapazen auf sich zu nehmen. Die Aussicht auf ein besseres Leben, auf etwas Nahrung für sich und ihre Familien?
Die heißeste Zeit des Tages ist jetzt noch nicht einmal erreicht und es herrscht schon eine nahezu unerträgliche Hitze, während es in der Nacht bis fast an den Gefrierpunkt abkühlt. Diesen extremen Wetterbedingungen sind die Arbeiter nahezu schutzlos ausgeliefert. Nur zugige aus Abfall gefertigte Unterstände bieten einen geringen Schutz vor den Elementen.
Was sofort auffällt, die meisten der Goldsucher sind noch sehr jung. Es ist die Blüte des Landes, die hier in Erdlöchern ohne Verschalungen, Abstützungen oder irgendwelche Sicherungen in dunklen Löchern die goldhaltige Erde ans Tageslicht wuchten.
Im Anschluss übernehmen die Frauen die Aufgabe das Erz in großen bis zu 30 Kilo schweren Schüsseln auf den Kopf balancierend zu einem der letzten Wasserlöcher zu bringen, in dem noch ein Rest des kostbaren Nasses verblieben ist. Dort waschen sie den Goldstaub aus. Eine endlose Karawane junger und älterer Frauen zieht sich durchs Land, meist mit einem Säugling auf den Rücken gebunden und einem Kleinkind an der Hand. Zur Goldgewinnung wird hochtoxisches Quecksilber benötigt. So werden zu allem Überfluss auch noch die letzten spärlichen Wasserreserven nachhaltig vergiftet.
Der gewählte Abgeordnete des Wahlkreises Sidiki Belem ist sehr besorgt, nicht nur wegen der Umweltbelastungen, die die wilden Goldgruben mit sich bringen, sondern in erster Linie befürchtet er, dass die jungen Männer und Frauen zu Beginn der Regenzeit nicht mehr auf ihre Felder zurückkehren, um die so dringend benötigte Hirse anzubauen.
Sidike Belem erklärt mir: „Wenn einer der Goldsucher trotz aller Mühen kein Gold findet, dann ist das sein sehr persönliches Schicksal. Wenn er aber nicht auf sein Feld zurückkehrt, um die so dringend benötigte Hirse anzubauen, dann ist das ein Drama fürs ganze Volk.“
Schon jetzt sind die Menschen hier gezwungen einen Teil des Saatgutes das für die nächste Aussaat bestimmt war zu essen, um sich und ihre Familien mehr schlecht als recht zu ernähren. Damit aber wird eine Hungerkatastrophe nur verschoben, aber sie wird wohl kommen und die Weltgemeinschaft sollte sich schon jetzt darauf vorbereiten, damit wir im kommenden Herbst nicht mit den selben Bilder konfrontiert werden wie wir sie letztes Jahr in Ostafrika sehen mussten. Noch ist Zeit rechtzeitig gegen zu steuern.
Walter Korn