„Die Fotografie führt Dich nach Hong Kong – oder halt zur nächsten Straßenecke“

Roman Becker arbeitet seit 2007 als Pilot bei einer deutschen Airline. Die Kamera hat er auf seinen Reisen immer dabei, für die vielen Eindrücke und Stimmungen, die festgehalten werden wollen. Sein Lebensmittelpunkt befindet sich in einem kleinen Städtchen mitten im Teutoburger Wald, von wo aus er regelmäßig die ganze Welt bereist: „Man muss aber gar nicht weit weg, um schöne Bilder zu machen. Es beginnt alles mit einer Idee – und die führt Dich dann nach Hong Kong oder halt zur nächsten Straßenecke vor deiner Haustür.“

Roman Becker, wann und wie bist Du zur Fotografie gekommen?

Hmm, gute Frage. Das hat eigentlich mit meinem Beruf zu tun – man reist um die ganze Welt und erhält so viele tolle Eindrücke, die man irgendwie festhalten will. Nach den ersten Jahren beruflicher Fliegerei habe ich mir schließlich meine erste Kamera gekauft und losgelegt. Ich könnte heute fast heulen, dass ich nicht viel früher damit angefangen habe. So viele tolle Momente, Motive und Eindrücke die vorbei gezogen sind. Zudem würde ich sagen, dass man so circa zwei bis drei Jahre regelmäßiges Training benötigt, um erste vorzeigbare Ergebnisse zu erzielen. Die Kamera besitze ich seit 2012. Ihr Zuhause ist mein Reise-Trolley.

Wie kommst Du zu deinen Motiven?

Hier stelle ich eine Veränderung bei mir fest: Am Anfang war alles ein Probieren und Machen. Einfach loslaufen und mal schauen, was passiert. Das mache ich jetzt nicht mehr. Ich denke mir die Bilder und die Gestaltung immer vorher aus und überlege mir ein Thema. Die Bilder der kleinen Serie „The Northern Border“ hatte ich alle schon vorher grob im Kopf. Es sollten verregnet und etwas monoton aussehende Bilder von der deutschen Küste werden. Zum Glück war das Wetter dann auch nicht so gut ; ) Aber das ist etwas, das mein Bruder – André Becker, selbst professioneller Fotograf – mir mit auf den Weg gegeben hat: Ein Bild, sei es Foto oder Gemälde, entsteht immer Kopf. Dann ist die Technik am Ende auch gar nicht mehr so wichtig. Fotos werden dann zu Fotografien.

Wo fotografierst Du am liebsten?

Hauptsache draußen, egal wo. Das Fotografieren verbinde ich gerne mit meinem Drang nach Natur und Bewegung. Fotostudios sind so gar nicht meins.

Wenn wir Dich einmal beim Fotografieren begleiten würden, was würde uns erwarten

Purer Spaß! Nee, mal ganz ehrlich. Ich bin froh, aus reiner Freude zu Fotografieren. Es ist unglaublich befreiend, etwas zu tun, hinter dem kein „Muss“ und „Sollte“ stehen. Aus diesem Grund läuft das bei mir alles sehr entspannt und oft mit Stativ ab. Unter Umständen müsstet Ihr euch jedoch auf schlechtes Wetter einstellen. Ich gehe auch gerne bei Nebel und Regen vor die Tür. Viele Leute wird man mit mir auch nicht treffen. Aber glaubt mir, um 4 Uhr Morgens bei Nebel auf Hong Kong zu blicken hat wirklich etwas Magisches.

Und was fotografierst du am liebsten? Warum?

Am liebsten technische Dinge. Gebäude, Autos, Straßenzüge und natürlich Flugzeuge. Ich finde es ganz wichtig, einen grundsätzlichen Bildaufbau zu bekommen. Mit Menschen tue ich mich da schwer. Ein Mensch hat wenig gerade Linien und bewegt sich viel. Ich bin immer auf der Suche nach Linien, die man irgendwie in Verbindung setzen kann.

Die Geschichte hinter einem Deiner Bilder. Gibt es ein Bild, dass Dir besonders am Herzen liegt? Warum?

Bei der Frage muss ich irgendwie an den roten Ford Mustang „red hot“ denken. Wir haben uns Fahrräder gemietet und sind die Strände in Los Angeles abgefahren. Ich war auf der Suche nach einem US Oldtimer mit Stil an der richtigen Location. Ich meinte dann irgendwann, wir sollten auch mal die hinteren Straßen abfahren. Und dann stand er mit einem Mal leuchtend vor mir! Das werde ich nie vergessen, auf Hochglanz poliert. Eine Szene wie im Film.

Was kann Fotografie (nicht)?

Muss Fotografie denn etwas können? Es wird ja auch immer gefragt, ob sie eine echte Kunstform ist. Ganz ehrlich, das ist mir egal. Es gibt so viele Bilder da draußen, die eine so unglaublich Kraft ausstrahlen und die Dich mit ihren Linien in ihren Bann ziehen. Da spürt man ganz klar etwas. Ob das nun von jemandem als Kunst deklariert wird oder nicht, halte ich für unwichtig. Was sie in diesem Zusammenhang nicht kann, ist andere Kunstformen zu verdrängen. Dennoch hat sie eine absolute Daseinsberechtigung in den Museen unserer Welt.

Wer hat Dich in Deiner Entwicklung als Fotograf geprägt?

Ganz klar mein Bruder. Er ist absoluter Profi und hat selbst sehr inspirierende Arbeiten erstellt. Ich denke, da ich ihn schon so lange kenne, hat er mich stets passiv inspiriert. Des Weiteren möchte ich gerne Joel Meyerowitz nennen. Ich habe im Flugzeug nach New York den Film „Retrospektive“ gesehen. Die reine Streetphotography ist jetzt gar nicht so meins, seine Gedanken zum Thema Fotografie sind aber auf jeden Fall sehr inspirierend. Zudem ist er ein toller Charakter, den ich gerne mal live erleben würde. Den Film sollte jeder, der sich mit Fotografie beschäftigt, gesehen haben. Und natürlich der große Sebastião Salgado. Über Ihn gibt es auch einen irre tollen Film von Wim Wenders. „Das Salz der Erde“, der Film ist ein Muss. Diese beiden Fotografen vertreten jetzt zwar so gar nicht meinen Bildstil, Ihr Engagement und ihre Entschlossenheit ziehen Dich aber in Ihren Bann und überzeugen Dich, rauszugehen und die Kamera mitzunehmen.

Roman Beckers Fotos könnt Ihr Euch direkt aus seiner Galerie bei Photocircle ins Wohnzimmer bestellen. Noch mehr Eindrücke gibt’s auf seiner Website.