Die Leidenschaft für abstrakte, surreale Ausdrucksformen in der Fotografie hat sich bei Holger Nimtz während seiner Reisen nach Asien und Lateinamerika entwickelt. „Es ist die Verarbeitung der exotischen Einflüsse, die mich zum Experimentieren und zum Verlassen gewohnter Pfade animiert.“ So finden sich immer wieder ungewöhnliche Formen und Strukturen in seinen Bildern wieder.
In Deinen Bildern spielt das Meer eine wichtige Rolle. Was hat es mit dieser Liebe zum großen Wasser auf sich?
Das Meer gibt mir das Gefühl von Freiheit. Frische Luft, Leere und Weite geben mir den Anschein, für einen Moment allein auf dieser Welt zu sein. Das Meer transportiert für mich auch Sehnsüchte.
Ausgeprägt hat sich meine Beziehung zum Meer auf der Insel Juist. Dort habe ich mehrere Jahre gearbeitet. Nach Feierabend bin ich fast jeden Tag für einige Stunden den Strand entlang gegangen. Oft bis in die Dunkelheit hinein. Es ist schon sehr mystisch, im Mondschein bei Ebbe am Strand zu sein. In den Prielen und auf dem nassen, freiliegenden Meeresboden spiegelt sich das Licht wider – ein bizarres Spektakel. So ist dann auch die Idee zu meiner Serie „La mer en noir et blanc“ entstanden, obwohl es sich bei diesen Bildern nicht um Nachtaufnahmen handelt.
Du bildest die See aber nicht einfach so ab, wie sie ist, sondern gibst ihr einen surrealen Anstrich, abstrahierst, bis nur noch Schichten von Farben übrig bleiben.
Surrealer Anstrich – schön gesagt. Durch die abstrahierte Darstellungsweise möchte ich die oberflächliche Struktur des Meeres aufbrechen, in die Tiefe dringen. Es geht mir um das Verflüssigen von Strukturen, um die Darstellung von Bewegung. Die originalgetreue Ablichtung eines Motivs rückt dabei in den Hintergrund; vielmehr strebe ich durch surreale Einflüsse eine inspirierende Wirkung an. Zudem ist es für mich ein Mittel, der Veränderlichkeit und der Vielfältigkeit – ja auch der Verletzlichkeit – des Meeres Ausdruck zu verleihen.
Wie gehst Du das technisch an?
Die abstrakten Züge erreiche ich durch die Wischtechnik, also der Bewegung der Kamera während der Aufnahme. Meistens benutze ich dabei kein Stativ. Von Bedeutung sind dabei die Schnelligkeit der Kamerabewegung und die Verschlusszeit. Bei der anschließenden Bildbearbeitung, arbeite ich zum Beispiel Farbharmonien und Kontraste heraus, bis hin zu einer surreal wirkenden Kolorierung. Mitunter arbeite ich mehrere Wochen an einem Foto. Viel Zeit investiere ich auch in den Bildschnitt. Es ist auch schon vorgekommen, dass ich ein bereits verworfenes Bild nach mehreren Monaten durch eine neue Idee doch noch umsetzen konnte.
Bei Photocircle verkaufst Du besonders viele Bilder aus Deiner Serie „Streifzüge“. Kannst Du uns darüber etwas erzählen?
Anfangs habe ich nach einem treffenden Namen für eine kleine Anzahl von Bildern gesucht, die ich in einer Serie zusammenfassen wollte. Es waren Meeresbilder mit dem typischen Wischeffekt.
So kam ich auf „Streifzüge“, weil der Name einerseits Bewegung, andererseits die dargestellten Strukturen impliziert. Heute widme ich mich bewusst der Erweiterung dieser Serie, wobei ich versuche, Bilder mit neue Strukturen und Farbharmonien hinzuzufügen.
Ein anderes Steckenpferd von Dir ist die Infrarotfotografie. Gibst Du uns eine kleine Einführung?
Infrarotes Licht hat die Eigenschaft, Dunst sehr gut zu durchdringen. Deshalb wirken Infrarotaufnahmen oftmals auffällig klar mit Weitsicht. Himmelsblau und Wasser werden dunkel bis schwarz wiedergegeben. Aber am auffälligsten ist der sogenannte Wood-Effekt: Chlorophyll, das den Blättern die grüne Farbe gibt, wird im infraroten Licht sehr hell dargestellt. Dieses Phänomen wurde nach seinem Entdecker Robert Williams Wood benannt.
Der Effekt wird durch Infrarot-Filter erzielt. Diese kann man fest in die Kamera verbauen, oder einfach auf das Objektiv schrauben. Die Schraub-Variante hat den Vorteil, dass man mit der Kamera weiterhin normale Fotos machen kann, bringt aber mit sich, dass die Belichtungszeit mitunter sehr lang wird. Trotz vieler Bearbeitungsschritte bei digitalen Farb-Infrarotfotos (wie zum Beispiel Rot-Blau-Kanaltausch, spezieller Weißabgleich, Kontrast- und Farbbalanceanpassung) hat mich die Infrarotfotografie in ihren Bann gezogen – die surrealen, teils apokalyptisch anmutenden Effekte haben es mir angetan. Eine Umwandlung in schwarz-weiß ist aber in jedem Falle auch möglich.
Es gibt auch Filter, die nur noch infrarotes Licht durchlassen. Somit entfallen einige Bearbeitungsschritte, man erhält nach der Umwandlung reine Schwarz-Weiß-Bilder. Für meine Infrarotfotos benutze ich eine umgebaute Canon 550D mit einem 720 nm Filter, der noch einen Rest farbigen Lichts auf den Sensor lässt.
Was ist Dein fotografisches Ziel? Quo vadis, Holger Nimtz?
Hmm, darüber mache ich mir eher weniger Gedanken. Ein langfristiges Ziel habe ich momentan nicht. Vielmehr möchte ich meine fotografischen Fähigkeiten verbessern und den Spaß an der Fotografie nicht aus dem Auge verlieren. Also werde ich auch immer wieder neue Ansätze und Techniken ausprobieren.
Wichtig ist mir, dass ich mit meinen Bildern den Betrachter erreiche, Emotionen wecke und Inspiration geben kann. Im September startet meine erste Ausstellung. So kommt eins zum anderen…
Wenn Ihr mehr von Holger Nimtz sehen möchtet, kommt doch einfach zur Vernissage seiner Ausstellung am 5. September in der Galerie Orange – Weinhandlung & Kunstgalerie in Berlin-Friedrichshain, Wühlischstr. 37 – Näheres hierzu erfahrt Ihr bald auch auf Holgers Website.